2005-11-15

Been there - Done that - Got the T-Shirt

Erstmal herzlichen Dank für die vielen aufmunternden Worte, die mich in diesem Forum und auf anderem Wege erreicht haben. Darüber habe ich mich sehr gefreut. Heute habe ich meine letzten Unterrichtsstunden gegeben, und das gibt mir nochmal Gelegenheit, das knappe letzte Jahr rückblickend zu betrachten. Zu den Motiven meines Ausstiegs habe ich ja schon was gesagt, das will ich hier nicht nochmal wiederholen. Aber vielleicht zu den Einblicken, die ich in dieser Zeit gewonnen habe. Spätestens seit der ersten PISA-Studie der OECD ist das Thema Bildung in Deutschland ja eines der heissen Eisen, fast auf einer Stufe mit den Problemen Arbeitslosigkeit und Konjunktur. Jedem ist eigentlich klar, dass dringend was getan werden muss, aber irgendwie scheint sich niemand zu trauen, oder es hat bisher niemand das Patentrezept gefunden, das uns aus der Misere führt. Neben vielen anderen Aspekten spielt natürlich die Kompetenz der Lehrer eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, Kinder und Jugendliche auf das (Berufs-)Leben vorzubereiten. Und ich denke, da hapert es gewaltig, zumindest was die Aussichten für die Zukunft angeht. Der allgegenwärtige Sparzwang hat dazu geführt, dass es viel zu wenig Lehrer gibt, und dass diejenigen, die sich auf den Beruf des Lehrers einlassen, eine mehr als fragwürdige Ausbildung erhalten. Ich hatte im Referendariat 12 Wochenstunden Unterricht zu leisten - davon drei Stunden in Begleitung eines Ausbildungslehrers und neun Stunden eigenständigen Unterricht. Zwar gab es hin und wieder Unterrichtsbesuche (die von allen Referendaren gehasst werden, weil es letztendlich Prüfungen sind, die über die Abschlussnote entscheiden), aber sonst fand im Prinzip keine Kontrolle statt, was man in diesen neun Stunden trieb. In diesen "Bedarfsdeckenden Unterricht" wurde man bereits nach wenigen Wochen Referendariat geworfen, eine Zeit die kaum ausreicht, die gröbsten Fehler zu erkennen, geschweige denn zu beheben. Also (und ich spreche jetzt mal nur von mir) nimmt man etliche schlechte Angewohnheiten mit in den Unterricht, und diese schleifen sich dann durch stetige Wiederholung ein, ohne dass jemand da ist, der einen darauf aufmerksam machen könnte. Das Ergebnis kann sich jeder vorstellen... So wichtig und richtig ein früher Kontakt zur "Zielgruppe" und die eigene Unterrichtserfahrung ist - die Referendare dabei größtenteils alleine zu lassen ist eine unglaublich bescheuerte Idee. Natürlich hängt eine andere Art der Ausbildung letztendlich nur von einem Faktor ab: Geld. Die vorhandenen Lehrer müssen entlastet werden, damit sie sich vor Ort in der Ausbildungsschule intensiver um die Referendare kümmern können. Das bedeutet, dass der reguläre Unterricht auf mehr Kollegen verteilt werden muss. Was sowieso sinnvoll ist: Ich habe an den beiden letzten Wochenenden erfahren, was es heisst, zwei Korrekturfächer zu unterrichten (also Fächer, in denen Arbeiten/Klausuren geschrieben und korrigiert werden müssen). Wie das Kollegen mit dem doppelten Stundenpensum durchstehen ist mir ein absolutes Rätsel. Und ich habe keinen Kollegen getroffen, der nicht irgendwo von dem Beruf und den steigenden Belastungen angefressen ist. Das Burnout-Syndrom ist bestimmt keine Modekrankheit, sondern eine knallharte Realität. Vor diesem HIntergrund verwundert es also überhaupt nicht, wenn die Kultusministerkonferenz (Achtung: Web-Design wie vor 10 Jahren, hier ist die richtige Seite) beschließt, aus der OECD-Studie auszusteigen, die die Lehrer evaluieren soll. Das erschreckende Ergebnis wollte man sich wohl ersparen. Gute Ausbildung kostet, und solange der Staat (und damit letztendlich wir als Gesellschaft) nicht bereit sind, Geld zu investieren - viel Geld - wird sich an der Misere nichts ändern. Und so werden wir uns wohl alle drei Jahre wieder über die neuste PISA-Studie ärgern. Dann wird den vorhandenen Lehrern zur Kompensation der Probleme noch mehr Arbeit aufgenötigt, und wir sinken tiefer und tiefer in den Schlamassel, ohne Hoffnung auf Rettung. Aber wie gesagt: Das alles waren nicht die Gründe, warum ich das Handtuch geworfen habe. Allerdings: Gereicht hätten sie allemal...

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